Aus dem Leben

Ein Interview mit Urs Hofmeier über das Salzregal

Das Hoheitsrecht der Kantone über die Produktion und den Handel mit Salz bezeichnet man als Salzregal. Im nachfolgenden Interview beantwortet Urs Hofmeier, CEO der Schweizer Salinen, Fragen zum Monopol und sagt, welche Vorteile es der Schweiz bietet.

Urs Hofmeier

Frage: Das Salzregal wird manchmal als Relikt aus dem Mittelalter bezeichnet. Damals war Salz sehr wichtig, um Lebensmittel zu konservieren. Heute ist das nicht mehr der Fall – was sagen Sie dazu?

Urs Hofmeier: Natürlich haben sich die Zeiten geändert – für die Konservierung hat Salz heute nicht mehr die gleiche Bedeutung. Dafür benötigen wir je nach Härte des Winters zwischen 100’000 und 400’000 Tonnen Auftausalz. Wenn uns dieses fehlt, steht das Land still: Menschen können nicht zur Arbeit, Waren kommen nicht an.
Übrigens: Auch heute besitzen die Kantone das Salzregal. Dies ist ein auch in der Bundesverfassung erlaubtes Hoheitsrecht der Kantone für den Salzhandel. 

Und um dies zu verhindern, benötigt es den Versorgungsauftrag, sagen Sie. Worin besteht er?

Die 26 Schweizer Kantone haben ihre Salzregale (kantonale Monopole) mit einem Konkordatsvertrag zusammengelegt. Die Verwaltung dieses Konkordates haben sie den Schweizer Salinen AG übertragen. Diese ist im Besitz der 26 Schweizer Kantone und des Fürstentums Liechtenstein, welche uns einen Versorgungsauftrag erteilt haben.

Dieser verpflichtet uns, die Schweiz und Liechtenstein verlässlich, solidarisch und nachhaltig mit Salz zu versorgen. Diese drei Punkte sind wichtig. Verlässlichkeit heisst, dass stets genügend Salz vorhanden sein muss. Für die ganze Schweiz.  Solidarisch bedeutet, dass die Salzpreise inklusive Lieferung im Puschlav gleich hoch sind wie in Basel. Auch sind sie immer gleich und steigen bei hoher Nachfrage nicht an, wie dies im Ausland der Fall ist. Zur Nachhaltigkeit haben wir uns ebenfalls verpflichtet. Wir sorgen dafür, dass Abbau, Produktion und Transport immer ökologischer werden und Schweizer Salz für unser Land die nachhaltigere Lösung ist als importiertes.

Welche Massnahmen ergreifen die Salinen, um diesen Auftrag zu erfüllen?

Zwischen 40 % und 50 % des Salzes, das wir fördern, dient im Winter als Auftausalz. Wir unterhalten in Riburg mit den zwei Saldomen riesige Lager, die zusammen 190’000 Tonnen Salz fassen. Unsere Produktion planen wir so, dass im Herbst die Salzlager bei den Gemeinden und den Kantonen gefüllt sind und auch unsere Lager zu Beginn des Winters voll sind.
Ebenfalls wichtig ist eine effiziente Verteillogistik. Zusammen mit unseren Partnern sind wir in der Lage, bei starkem Schneefall täglich bis zu 10’000 Tonnen Salz in Lastwagen und Güterzugwagen in die ganze Schweiz zu liefern. Das ist ein eingespieltes und zuverlässiges System.

Ist denn die zuverlässige Salzversorgung der Schweiz nur durch Ihr Monopol garantiert? 

Meine Tochter verbrachte vor ein paar Jahren einen Winter in England. Als überraschend eine grosse Menge Schnee fiel, fehlte das Streusalz. Die öffentliche Hand hatte zu wenige Salzlager unterhalten. Die Folge war, dass der Verkehr ausfiel, viele Läden leergekauft waren und die Schulen geschlossen blieben.

Würden die Schweizer Salinen im Auftrag der Kantone nicht zentrale Salzlager unterhalten, wäre dieses Szenario auch bei uns realistisch.
Hinzu kommt, dass Salz bei einem schnellen Wintereinbruch auf dem freien Markt rasch knapp und sehr teuer wird. Dank des Salzregals können wir bei uns vor Ort in Riburg riesige Mengen Salz lagern und es zügig schweizweit ausliefern, ohne dass die Preise steigen.

Wie sieht es im Lebensmittelbereich aus. Könnte auch Speisesalz knapp werden?

Ohne das Salzregal wäre dies möglich. Kurz nachdem der Bundesrat im März 2020 wegen des Coronavirus die Notlage ausrief, stieg die Nachfrage sprunghaft an. Wir haben im März und April doppelt so viele 1-kg-Packungen Jurasel verkauft wie im Vorjahr. Auch hier mussten wir schnell reagieren.

Wie haben Sie dies getan?

Wir fuhren umgehend die Produktion hoch und haben sieben Tage pro Woche in Doppelschichten gearbeitet. So konnten wir den Schweizer Detailhandel umgehend beliefern und Engpässe vermeiden.

Wie teuer ist das Salzregal? Salz kostet in der Schweiz ja mehr als im Ausland.

Früher war es tatsächlich so, dass die Kantone an den so genannten Regalabgaben verdient haben. Doch 2007 wurden diese von 50 Franken pro Tonne Auftausalz auf den symbolischen Betrag von 1 Franken pro Tonne gesenkt.

Klar, der Salzpreis ist hier etwas höher als in unseren Nachbarländern, aber das gilt für praktisch alle Lebensmittel.

Dafür haben Sie die Sicherheit, dass im Winter genügend Salz zur Verfügung steht. Wenn unsere Strassen eine Woche lang nicht befahrbar wären, hätte dies deutlich höhere Kosten zur Folge. Nicht nur wirtschaftlich. Stellen Sie sich vor, Rettungswagen und Sanität könnten nicht mehr fahren. Wollen wir das?

Und sonst, bringt das Salzregal weitere Vorteile?

Ja, in der Schweiz enthalten die meisten Speisesalze Jod. Das ist nicht in allen Ländern so. Deshalb gibt es bei uns fast keine Probleme durch Jodmangel, wie zum Beispiel Kropfbildung. Im Gegenteil: Die Schweiz ist das Land mit der besten Jodversorgung der ganzen Welt. Auch Fluor, das für gesunde Zähne sorgt, ist in den meisten Speisesalzen enthalten.

Aber es gibt doch auch unfaire Aspekte. Wenn ich zum Beispiel im Ausland ein feines Gewürzsalz entdeckt habe, kann ich das hier nicht kaufen, wenn es die Schweizer Salinen nicht importieren.

Das stimmt nicht. Bei ausländischen Speisesalzen können Sie, wenn Sie zum Beispiel einen Feinkostladen führen, eine Importbewilligung beantragen. In den allermeisten Fällen erteilen wir diese – das ist unkompliziert und dauert nicht lange. In diesem Bereich ist der Markt seit 2012 weitgehend liberalisiert – trotz Salzregal.